Machtfaktor Storyframing

Das Phänomen Trump – Sprachmuster mit überzeugender Wirkung

Der Aufstieg Donald Trumps ist 2016 wohl eines der wichtigsten politischen Phänomene. Viele Amerikaner und Deutsche fragen sich immer noch, wie es so weit kommen konnte? An kaum einem anderen Präsidentschaftskandidaten schieden sich die Geister je zuvor, wie an diesem: Donald Trump. Der Milliardär glänzte im Wahlkampf vor allem mit provozierenden Phrasen und ziemlich wenig politischem Know-how. Dennoch scheint er bei vielen Amerikanern den richtigen Nerv getroffen zu haben – zum Entsetzen vieler US-Republikaner und deutschen Politikern, mit Ausnahme der AfD. Was hinter dem Phänomen Trump steckt, erklärt Marcus Giers (40), laut US- Medien einer der führenden Markenproducer in Deutschland. Er entwickelt PR– & Werbestrategien. Als Experte für Storymarketing & Storyframing beschäftigt er sich von Berufs wegen seit über 10 Jahren mit den Ergebnissen der modernen Neuro– und Kognitionsforschung und erklärt in seinen Vorträgen, warum einige Politiker so überzeugen können und andere nicht. Er analysiert die Werbetrailer internationaler Unternehmen und die Reden großer nationaler und internationaler Persönlichkeiten. Get in touch magazin traf ihn zum Interview.

gitm: Darf ich Ihnen gratulieren oder mein Beileid ausdrücken. Sie haben bereits ziemlich früh zu Beginn des US–Wahlkampfes vorausgesagt, dass Donald Trump der nächste US–Präsident wird. Am Vorabend der Wahl haben Sie auf einer Veranstaltung in Koblenz Ihre Prognose noch einmal bekräftigt und das, obwohl alles dagegen sprach. Jetzt haben Sie recht bekommen, Traum oder Alptraum für Sie?

Marcus Giers: Weder noch. Ich habe immer damit gerechnet, dass Trump als Präsidentschaftskandidat die besten Chancen hat. Das Ergebnis von Trump war für mich relativ schnell wahrscheinlich, da seine Kampagne von Beginn an, wie aus dem Lehrbuch der modernen Sprach– & Hirnforschung war. Da waren Strategie-Experten am Werk, die ihr Handwerk meisterlich beherrschten.

gitm: Kein Wahlkampf wurde je in der US–Geschichte so schmutzig und soweit unter der Gürtellinie geführt. Trump warf Hillary Clinton immer wieder Korruption und Machtmissbrauch vor. Er tönte immer laut, dass er Sonderermittler einsetzen wird und Hillary ins Gefängnis kommen wird. War das Ihrer Meinung nach dummes rum tönen oder meinen Sie, dass dahinter eine klare Strategie steckte und halten Sie es für wahrscheinlich, dass auch die populistischen Parteien hier in Deutschland sich von der Trump–Strategie inspirieren lassen werden?

Marcus Giers: Das war eine glasklare Strategie, knallharte Berechnung. Sprache ist Politik. Nicht Fakten bedingen politische Entscheidungen, sondern Frames, also kognitive Deutungsrahmen. Diese werden über die Sprache im Gehirn aktiviert und bestimmen, wie die Menschen da draußen politische Fakten wahrnehmen. Das beherrschte Trumps Team außerordentlich gut. Amerika und Deutschland einigt hier mehr als gut ist, wenn es darum geht, Vorlagen für den politischen Gegner zu produzieren. Trump warf Clinton im Wahlkampf u.a. vor, dass sie sich indirekt über die Clinton Stiftung hat dafür bezahlen lassen, dass sie sich als damalige Außenministerin mit Vertretern der nationalen oder internationalen Wirtschaft trifft oder sich für Veranstaltungen buchen lässt. So soll der Scheich von Bahrain bspw. 100.000 USD oder Goldman Sachs knapp 2,2 Mio. USD an die Clinton Stiftung für ein Treffen oder eine Veranstaltung mit Hillary bezahlt haben. Nach deutschen Recht würde man eine solche Vorgehensweise als evidente Korruption bezeichnen, allerdings scheint das auch unseren Ministern und regierungsverantwortlichen Politikern nicht zu kümmern, wenn man sich den jüngsten Skandal der SPD ansieht, wo eine ähnliche Strategie, hier anstatt mit einer Stiftung über die parteieigene Werbeagentur, gefahren wurde. Es würde mich also nicht wundern, wenn die AfD diese Vorlage genauso nutzen wird, wie Trump es in Amerika tat und damit dem Volk erzählt, was ein großer Teil bereits denkt und damit den Nerv vieler Deutsche trifft. Die AfD kann es nach meiner Beobachtung schaffen, die zweitstärkste Kraft 2017 im Bundestag zu werden. Und wenn die großen Volksparteien weiter pennen, werden sie es auch.

gitm: Sie sagen Sprache ist Politik, also spielte die Sprache eine ganz entscheidende Rolle in dem US–Wahlkampf. Können Sie uns das etwas näher erklären?

Marcus Giers: Sprache fasziniert mich, gute Stories werden mit Sprache transportiert und mich begeistert immer wieder die Feststellung, was Sprache im menschlichen Denken auslöst. Es ist gleichermaßen faszinierend zu beobachten, warum sich die einen so perfekt ausdrücken können – Helmut Schmidt war ein großer Meister der Sprache – während die anderen so dahin stolpern – bestes Beispiel im US–Wahlkampf zu beobachten bei Hillary Clinton.

gitm: Was ist denn aber das Geheimnis von guten Rednern, die mit ihrer Sprache die Masse von Menschen im Herzen erreichen?

Marcus Giers: Da gibt es eine Reihe von Techniken. Bei Trump war es bspw. die Fähigkeit, Worte in wirklich ganz einfache Bilder zu kleiden. Trump hat niemals faktenbasiert Hillary vorgeworfen, in einer Affäre verstrickt zu sein. Vielmehr hat er in der Öffentlichkeit eine Story, wie aus einem guten Krimi, performt und hat dem ganzen noch ein perfektes Entertainment beigemischt. Und genau da hören die Menschen zu und sagen sich >> ist ja unglaublich, so etwas macht die Clinton? <> ich bin einer von Euch, ich stehe bei Euch und ich tue es nur für Euch und mit Euch <

gitm: Es gab ja viele Situationen im Wahlkampf, wo Trump entweder gelogen oder die Fakten verdreht hat und trotzdem nehmen ihm seine Wähler das nicht krumm. Warum?

Marcus Giers: Trump kümmern keine Fakten. Er verpackt alles in Bilder, welche teilweise sehr emotional, sehr aggressiv und teilweise verächtlich gegen Hillary gerichtet waren. Und diese Bilder wiederholt er immer und immer wieder, 3, 4-mal in weniger als einer Minute. Und dieses sprachlichen und bildlichen Wiederholunen setzt er ohne Unterbrechung ein. So ist bei seinen Reden und bei seinen Statements am Ende immer zu beobachten, dass er sagt: >> believe me, believe me <

gitm: Das klingt ja unglaublich, was Sie da sagen. Das bedeutet, Sie als Sprach– und PR–Experte wären in der Lage, unwiderlegbare und klare Lügen dem Charakter von Wahrheiten einzuhauchen?

Marcus Giers: Das ist ziemlich hart ausgedrückt. Ich kann das am Beispiel der wissenschaftlichen Plastizität des Gehirns am besten beschreiben. Hier ist es so, dass man durch das permanente und ständige Wiederholen von intensiven Bildern und Stories den Menschen dahinbringen kann, diese so zu glauben. Das Gehirn verändert sich ständig und immer fortwährend durch sprachliche Einflüsse. Und genau dieses Wissen nutzten Trumps Strategen.

gitm: Ok, aber es gibt doch auch die Welt der Fakten, die eindeutig und unwiderlegbar sind. Die hat es auch im US–Wahlkampf gegeben. Die Lügen, die verzerrten Wahrheiten von Trump. Davor kann doch keiner die Augen verschließen. Was sagen Sie dazu?

Marcus Giers: Nein, sicher nicht und die Demokraten haben es ganz besonders nicht getan. Sie haben keine Gelegenheit ausgelassen, faktisch zu belegen, was Trump gerade wieder verzapft hat. Nur, sie taten es auf eine sehr rationale Art und Weise. Dieses sind die Fakten und das sind die Beweise. Und damit glaubten die Demokraten, dass sie mit einer rational faktenbasierten Argumentation die Wähler auf den „richtigen Weg“ zurückbringen könnten. Nur leider funktioniert das menschliche Gehirn so nicht! Was einmal gehört und emotional abgespeichert wurde, bleibt erstmal lange haften.

gitm: Bei Trump war auch zu beobachten, dass er überwiegend eine ruhige Tonalität gewählt hat. Insbesondere bei Politikern kriegt man ja mit, dass sie oft zu lautstarken Ausdrucksweisen neigen, wenn sie etwas besonders bekräftigen wollen. Bei Trump war es mehrheitlich nicht so. Warum?

Marcus Giers: In der Kommunikation kann man sagen, dass das ruhigere Reden noch nachdrücklicher ist, als mit lauter Stimme sich zu artikulieren. Auch das ist eine Strategie, weil man mit einer ruhigeren Stimme sein Gegenüber dazu verleitet, viel mehr hinhören zu müssen.

gitm: Wer kennt nicht Trumps Slogan >> Make America great again <

Marcus Giers: Oh ja, sie hatte einen >> Stronger together <<, der floppte allerdings total. Thema leider verfehlt, obwohl Frau Clinton wirklich wichtige Themen für Amerika angesprochen und auf der Agenda hatte. Mit Ihrem Slogan sprach sie den Verstand, aber nicht das Herz an. Das war ihr großes Problem. Trump erkannte die Schwäche seiner Gegnerin Clinton. Niemand wurde so sehr mit der verhassten politischen Elite verbunden, wie Hillary Clinton. Und so arbeitete Trump mit Emotionen, häufig auch mit negativen Emotionen, was Hillary Clinton gar nicht lag. Trump erreichte damit jedoch eine breite Zustimmung, weil es einen Grundhass auf das Establishment, die politische Elite in Washington, gab und damit ging Trumps Rechnung auf. Trump hat immer mit Wertevorstellungen, Weltbildern und Affekten gearbeitet, was insbesondere für die konservativen Amerikaner Musik in den Ohren waren. Clinton blieb ihren rationalen Argumenten treu. Da hätte Hillary sich bei Obama viel abschauen können, der 2008 den Amerikanern seine Vision von Amerika erzählte, >> das ist meine Vision, so werden wir miteinander leben << etc.. Hat sie aber leider nicht.

gitm: Noch zwei abschließende Fragen. Was hat Trump in einem Satz anders gemacht als Clinton und kann man daraus noch etwas mitnehmen?

Marcus Giers: Trump hat seine Zielgruppe ganz genau analysiert. Wie alt sind sie, auf welchem Level kommunizieren sie, wovor haben sie Angst, was ist ihr größtes Problem, vor welchen Krankheiten fürchten sie sich usw. – die Grundlagen jeder perfekten Positionierung – in diesem Fall auf sein Wählervolk bezogen. Wenn deutsche Unternehmen genauso gründlich ihre Märkte analysieren würden, hätten sie Wachstums– und Umsatzsteigerungen, von denen sie heute nicht zu träumen wagen.

gitm: Moment mal, was hat die Angst vor Krankheiten mit dem Wahlerfolg von Trump zu tun? Geht das jetzt nicht ein bisschen zu weit?

Marcus Giers: Nein ganz und gar nicht. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf eine Kollegin, Elisabeth Wehling, eine von mir sehr bewunderte Wissenschaftlerin aus den USA hinweisen. Sie hat genau dieses Thema mit ihrem Team an der Berkley University in Kalifornien untersucht und führte in einem Interview aus, dass Trumps Strategen auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen haben die besagen, dass Menschen, die konservativ wählen, mehr Angst vor Krankheiten haben und schneller Ekel empfinden als progressiv wählende Amerikaner, also Demokraten. Das ist, wie gesagt, ein wissenschaftlich evaluierbarer Fakt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse welche Trumps Strategen nutzten, wurden auch u.a. unter der Leitung von Elisabeth Wehling von der Berkley University in Kalifornien, untersucht, welche im Rahmen der Verhaltens– und Gehirnforschung der Frage nachgingen, wie konservative und demokratische Wähler mit sprachlichen Konzepten von Ekel umgehen, also Worte wie >> schmutziges Frauenbild <

Und so fing Trump bereits schon früh an, in seiner einfachen bildhaften Sprache, schmutzige Bilder zu zeichnen. Beispiele, die mir gerade dazu einfallen, sind, dass er bei einem Kandidatenduell öffentlich äußerte, dass Marco Rubio, ein republikanischer Politiker aus Florida, bei seinen Auftritten immer so schwitzt und dass sei ja so ekelig. Ein anderes Mal erzählte Trump, die Mexikaner seien so dreckig und bringen viele Krankheiten ins Land und für mich der absolute Höhepunkt war, als Trump im TV nach einer Werbepause äußerte, Hillary war gerade auf der Toilette, er wollte gar nicht wissen, was sie dort gemacht hatte, es sei ja so ekelerregend. Dann erklärt er zusätzlich, dass er, also Trump, ganz große Angst vor Bakterien hätte und sich ständig die Hände waschen würde. Damit transportiert er, dass er ein ganz reiner Mensch sei. Das ist perfektes Storymarketing auf den Punkt gebracht. Erst bringt er jeden seiner politischen Gegner mit Schmutz, Ekel und Krankheit in Verbindung und dann stellt er sich als reinen Helden, als Saubermann von Amerika, hin. Sprachtechnisch gesehen – ganz großes Kino.

gitm: Woher nehmen Sie Ihre Annahme, die AfD könnte zur zweitstärksten Kraft in Deutschland werden?

Marcus Giers: Zum einen genügt ein Blick auf die aktuellen Umfragewerte. Die Verteidigungsministerin Frau von der Leyen erklärte in einer TV–Sendung im ZDF, dass man das Ergebnis Trumps wissenschaftlich untersuchen lassen will, um herauszufinden, wie es eigentlich soweit kommen konnte. Weiter hätte die Ministerin die Hose nicht runterlassen können. Im Grunde kann man sagen, schlimmer geht es nimmer. Und genau diese Unfähigkeit, diese Ohnmacht der großen Parteien, wird die AfD wissen, zielgerichtet auszunutzen. Da muss man kein großer Experte sein.

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